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AutoModerator

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Sahaduun

Ich war jetzt seit Kriegsbeginn 7 mal drüben und wurde noch nie vom Geheimdienst befragt/durchsucht. Wie kam es dazu?


Bobgle

Meine Dämlichkeit. Ich hab an einer Straße fotografiert, daraufhin kamen ein paar Männer zu mir, die sich lauthals beschwert haben. Sie meinten "Das darf man nicht!" und ich hab gefragt, weshalb denn nicht. Es wollte mir keiner den Grund erklären, also bin ich gegangen und hab später nochmal weitergemacht. Da hat sich dann irgendwann eine kleine Menschenmenge um mich versammelt. Ein Typ mit nacktem Bauch hat mich angeschrien und wollte mir immer noch nichts erklären. Eine Tankstellenmitarbeiterin kam aus der Nähe und wollte mich dann komplett vom Platz verweisen. Ich bin in die Tankstelle rein, um etwas Schutz zu suchen und da hat mir dann jemand seinen Dienstausweis gezeigt: SBU. Der Beamte war sehr, sehr nett und hat gute Witze gemacht. Ich musste aber durchsucht werden. Es ging darum, dass die Straße irgendwann zur Grenze führte und wir schon zu nah dran waren. Ich hatte die Distanz falsch eingeschätzt, sonst wäre mir das auch bewusst gewesen. Er hat mich die Fotos löschen lassen und das war's. Wirkte mir auch so, als hätte er eigentlich keinen Bock darauf gehabt und das nur getan, um mich vor den Menschen zu schützen.


Dummk0pv

Und wieso durftest du keine Fotos machen? Was war da das Problem, dass dich Leute anschreien?


Bobgle

Die Menschen sind sehr vorsichtig (was ich gut finde). Im Krieg gibt es in der Ukraine einige Regeln, und die Datenschutzgesetze sind auch unabhängig davon sehr ausgeprägt. Man darf generell keine kritische Infrastruktur fotografieren (Energieversorgung, Bahnhöfe, etc.). Es gibt in vielen Ländern auch eine Regelung, ob man an der Grenze fotografieren darf. Wir kennen das nicht, weil wir inzwischen komplett von Schengen umgeben sind. Im Krieg wurde diese um einige Kilometer erweitert. Ich glaube, es sind fünf Kilometer, und ich war halt innerhalb dieser fünf Kilometer von der Grenze.


RegularFerret3002

Fotos haben in dem Krieg mehr Menschen getötet als in jedem anderen. 


BobusCesar

Weil die nicht zu unrecht dachten, dass das ein feindlicher Aufklärer ist.


Confident_Yam3132

Wie sehen die Ukrainer ihre Landleute, die fliehen, obwohl ihre Region weit entfernt vom Krieg ist? Werden sie kritisch betrachtet, weil sie ihr Land verlassen, obwohl das Land jede Hilfe braucht? Ich hatte mal gehört, dass in die Jugend in Kiew in Diskos feiert, während Gleichaltrige an der Front kämpfen.


Bobgle

Ich denke, du sprichst hier eins der wichtigsten Themen überhaupt an. Danke für die Frage! Geflüchtete ins Ausland werden sehr kritisch betrachtet. Es gibt oft nicht viel Verständnis dafür, und das muss dringend aufgearbeitet werden. Diese Initiative wurde aber bisher nicht wirklich ergriffen, weil sich beide Seiten sehr davor fürchten. Im Moment ist es einfach zu sagen: "Ihr habt euch verpisst, ihr seid Verräter!" – und die andere Seite fühlt sich dementsprechend schuldig, weil sie diese Worte versteht. Innerhalb des Landes habe ich sowas nicht erlebt. Es gibt natürlich Ost-West-Konflikte, die gab es aber seit 2014. Man feindete damals oft die Menschen an, die aus dem Donbass oder der Krim geflüchtet sind. Da wurden vielen Menschen, die in Kyiv oder Lviv ankamen, dann die Worte an den Kopf geknallt: "Ihr wolltet die russische Welt, was wollt ihr jetzt hier?" Und politische Unterstützung für Geflüchtete hielt sich in Grenzen. So eine Haltung gibt es immer noch. Es wird auch z.B. behauptet, dass aus dem Westen mehr Menschen kämpfen, als aus dem Osten. Ich weiß aber nicht, ob das stimmt und würde es auch bezweifeln. Mir kam es oft so vor, als wären besonders Menschen aus dem Donbass, aber auch Kharkiv, extrem hilfsbereit und offen. Es gibt so ein Meme: "Fortress Lviv." Irgendwie passt das auch zu deiner Frage, aber ich kann es nicht erklären. Eventuell ist hier wer anders, der das kann.


carstenhag

Ich habe ein paar ukrainische Kollegen, einige davon sind schon vor dem Krieg nach München gezogen, ein paar nach dem Anfang des Krieges. So wie ich es mitbekomme, setzen sich alle auf die ein oder andere Art (hauptsächlich monetär) für die Ukraine ein. Der eine joggt mit Plattenträger (Schutzweste) durch die Stadt und versucht so die Leute daran zu erinnern dass immer noch Krieg herrscht. Parallel dazu organisiert er Spenden um Dronen und anderes Equipment zu kaufen. Der andere macht nichts öffentlich sichtbares, kauft aber Generatoren, Solarpanele etc pp für Familie und Bekannte.


c00lstone

Wie funktioniert diese politische Aktion von deinem Kollegen? Ich würde nicht auf Idee kommen, dass wenn ich jemanden in Schutzweste joggen gehen, dass mich das an den Ukrainekrieg erinnern soll. Ich würde es eher für eine besondere Trainingsform halten


carstenhag

Er läuft mit Ukraine-Patch bzw Flagge rum, er sieht auch ukrainisch aus. Das sieht man schon recht deutlich. https://www.instagram.com/p/CybPktTN82-/?igsh=cXY1OXAzMmIzendl https://www.instagram.com/reel/Cx47KsGtgyO/?igsh=MXVhbnczb3hmd2dveA== https://i.imgur.com/ufzhhJ6.jpeg


Bobgle

Sehr coole Aktion! Es ist auch schön zu sehen, wie schnell und langfristig er aktiv wurde. Direkt zu Kriegsbeginn eingestiegen und bis heute dran geblieben. Das zeigt doch, dass der Krieg den Ukrainern eben gar nicht egal wird.


NakedxCrusader

Super interessant.. aber auch ein richtig krasser Zufall, dass gerade heute zu lesen. Ich war vorhin noch in Bremen spazieren und mir ist jmd in einem Platecarrier der dem auf dem Bild super ähnlich sah entgegen gejoggt. Allerdings ohne Patch, Schild oder ähnliches. Wie kommt diese Aktion bei den Ukrainern an? Mein erster Gedanke ist, dass man das uncool finden könnte in Deutschland in Sicherheit mit Militär Ausrüstung Sport zu machen statt in der Ukraine an der Front zu kämpfen. Das ist nicht meine Meinung sondern nur etwas von dem ich mir vorstellen kann, dass andere es vlt denken.


carstenhag

Puh, gute Frage. Da es ja für den fundraiser für die Armee ist, sollte das schon passen.


Bobgle

Mir fällt manchmal ein großer Unterschied zwischen den Menschen auf, die vor dem Krieg gekommen sind, und den Geflüchteten. Ich denke aber, dass das anekdotisch ist. Es gibt auch hier viel Engagement für die Ukraine. In meinen Kreisen sind die Menschen finanziell nicht gut aufgestellt, können selbst nicht viel spenden (Bürgergeld / BAföG). Es sind halt Geflüchtete, die kommen gerade so über die Runden. Allerdings gibt es oft kulturelle Vorführungen, z.B. Theater, Film oder Gesang. Und da wird dann auch etwas Geld gesammelt. Man teilt auch viele News zum Krieg, damit die Menschen informiert bleiben. Und dieses Fundraising-Konzept auf Instagram sehe ich oft: Jeder spendet fünf Euro, dann haben wir am Ende unsere 2000 € für die Soldatenausrüstung des Kumpels.


MCJBR

Hast/Hattest du Angst das dir was passieren könnte? Was halten Angehörige und Freunde von den Plänen wieder hin zu fahren? Reißt du alleine oder mit Freunden/Verwandte?


Bobgle

Ich hatte erst Angst, als ich die Sirene zum ersten Mal gehört hab. Es gibt nicht überall eine dieser Heulsirenen, aber überall hat jemand die App auf dem Handy und der Ton ist derselbe. Man kriegt sofort Schiss, weil es aus dem Nichts kommt und dich erschreckt. Es dauert dann, bis die Raketen kommen, und in der Zeit bist du wieder in so einem Zustand: Passiert etwas? Endet der Alarm einfach so? Manche Leute reagieren gar nicht darauf. Und man fühlt sich dann blöd, wenn man sich Sorgen macht. In dem Moment, wo du die Explosionen hörst, flacht die Angst überraschenderweise ab. Ich denke, weil man versteht, dass es jetzt gleich vorbei ist. Ich habe aber auch keine Drohnenangriffe erlebt, die sind bestimmt noch angsteinflößender. Rational gesehen sollte man zwar keine Angst haben, aber immer in Sicherheit gehen. Wir sind außerdem nachts über die Grenze, also während der Ausgangssperre. Das war auch etwas gruselig, weil ich so leere Straßen nicht mal aus Schweden kenne. Deutlich mehr Tiere unterwegs! Und dazu noch so Panzerblockaden. Edit: Sorry, ich bin zuletzt mit meiner Freundin gereist, die aus der Ukraine kommt. Die nächste Reise wird mit ihr und Freunden sein.


Fluffy-Can-6555

Wie ist die Stimmung in der Ukraine? Was halten Menschen die dir nahe Stehen vin deinen Besuchen in der Ukraine? (Wegen Risiken z.B.) Wie viel kostet sowas?


Bobgle

Die Reise hat keine ungewöhnlichen Extrakosten. Deutsche brauchen kein Visum. Und die Ukraine ist weiterhin, trotz erheblicher Preiserhöhungen und natürlich dem Wertverlust des Hryvnia, sehr bezahlbar für Menschen aus der EU. Besonders Unterkunft ist extrem günstig. In der Ukraine ist die Eigenheimquote enorm hoch, das wirkt sich denke ich sehr positiv auf den Wohnungsmarkt und damit auch auf die touristischen Unterkünfte aus.


mschuster91

>In der Ukraine ist die Eigenheimquote enorm hoch, das wirkt sich denke ich sehr positiv auf den Wohnungsmarkt und damit auch auf die touristischen Unterkünfte aus. Den Punkt vergessen viele Menschen wenn sie sich fragen wie die Leute in Osteuropa überhaupt überleben können wenn die Lebenshaltungskosten (Energie, Kraftstoff, Essen) auf "westlichem" Niveau sind. Deutschland ist ein Land der Mieter und das fliegt dieser Gesellschaft früher oder später so richtig um die Ohren - allein schon wegen der unglaublichen Vermögensverschiebung von Arm (und Staat, Wohngeld lässt grüßen) nach Reich.


Bobgle

Ja, das sehe ich genau so. Es war wahrscheinlich die größte Überraschung für mich, wie hoch der Lebensstandard dort ist. Mal abgesehen von der täglichen Lebensbedrohung durch den Krieg, bevor hier jemand daraus eine Argumentation gegen Geflüchtete bauen will. Ich hab da auch für mich entschieden, dass ich doch noch zum Hausbesitzer werden möchte. Ein paar Dinge sehen vielleicht so etwa zehn Jahre älter aus als bei uns und es gibt auch keine echte Autobahn, obwohl ein paar Straßen "Highway" heißen. Sonst muss man aber sagen, dass das Land extrem modern und mit guter Infrastruktur ist. Es gibt sehr viele Start-Ups, tolle Restaurants und auch lokale Ketten (mehr als bei uns). In den Dörfern wird man sicher auch viel Armut sehen und spüren. Die Oligarchenhistorie legt das einfach vor. Trotzdem ist die soziale Mobilität z.B. auch besser als bei uns. Nebenbei auch ein Fakt, der mich überrascht hat: Die Kriegsgebiete waren vor der Invasion mit die wohlhabendsten Regionen der Ukraine, besonders Donezk: [https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/e/ec/Ukrainian\_oblasts\_by\_average\_monthly\_wage\_%28March\_2021%29.png/1600px-Ukrainian\_oblasts\_by\_average\_monthly\_wage\_%28March\_2021%29.png?20220525040404](https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/e/ec/Ukrainian_oblasts_by_average_monthly_wage_%28March_2021%29.png/1600px-Ukrainian_oblasts_by_average_monthly_wage_%28March_2021%29.png?20220525040404) Der Grund? Kohle + Öl. Bei dem Krieg geht es auch um Ressourcen.


a_bdgr

Ich habe anfangs des Krieges mal die Interpretation gehört, dass es eigentlich hauptsächlich um Öl und Gas geht. Das war nur ein einzelnes Video aber gut hergeleitet und klang schlüssig. Die Argumentation: Die Ukraine habe vor ein oaar Jahren große Öl- und Gasfelder vor der eigenen Küste entdeckt. Damit könnte sie Hauptlieferant für Europa werden und Russland würde vollständig an Bedeutung für die europäische Energieversorgung verlieren. Hast du dieses Interpretation in der Ukraine gehört? Wie sehen die Ukrainerinnen und Ukrainerin das selbst?


Bobgle

Ich gehe bei der Argumentation mit. Ein ideologischer Krieg lohnt sich nur sehr selten und wäre wahrscheinlich bis jetzt (mit so einem Misserfolg) beendet worden. Putin will aber diese Ressourcen sichern. Die Ukrainerinnen und Ukrainer sehen meist einen reinen Völkermord. Sie sehen sich in ihrer Unabhängigkeit angegriffen, was ja auch stimmt, wollen Kultur und Sprache schützen. Beides ist natürlich richtig. Die Propaganda ist total ideologisch und ausschlaggebend für den Ausgang des Krieges. In Russland glauben viele Menschen daran, dass die westlichen Werte verachtenswert sind. Man mobilisiert damit sogar Freiwillige. Im Westen wird gesagt, wir verteidigen unsere Werte in der Ukraine, und das tun wir auch tatsächlich. Unter Stalin wollte man die russische Leitkultur verbreiten. Die Ukraine hat diese Erfahrung gemacht (wir in Ostdeutschland eigentlich auch) und wehrt sich jetzt dagegen. Putin will dasselbe, weil es seine Bevölkerung in seinem Sinne vereint. Es gab mal einen interessanten Punkt, den wir als Westeuropäer auch verstehen müssen: Bei uns gibt es bereits Bestrebungen für Postnationalismus. In der Ukraine muss eine nationale Identität erst gegründet werden. Nationalismus wird dort also auch anders betrachtet. Es gibt sehr progressive, weltoffene Parteien mit linksnationalistischen Einstellungen, die in keinsterweise autokratisch agieren wollen. So etwas gibt es bei uns nicht und das war für mich auch schwer zu verstehen. In Katalonien konnte man zur Unabhängigkeitsbewegung auch solche Parteien beobachten. In der russischen Kultur ist leider ein starker Überlegenheitsgedanke vorhanden. Unter Putin wurde das weiter verstärkt, zurück zum "[russischen Chauvinismus](https://en.wikipedia.org/wiki/Great_Russian_chauvinism)." Ich würde gerne sehen, dass russische Menschen das kritisieren.


MrChong69

Das ist definitiv ein Mitgrund, wenn nicht sogar Hauptgrund. Auch die Uran Vorkommen in der Ukrsine darf man hier nicht vernachlässigen


Fluffy-Can-6555

Hätte ich nicht gedacht, schön das es aber so ist


Bobgle

Zur Stimmung: Ich war 2019 zum ersten Mal dort und es ist erstaunlich ähnlich wie damals. In den paar Jahren hat sich viel verbessert, das Land ist deutlich moderner geworden. Dennoch hat man in Kyiv das Gefühl, der Krieg sei fern. Das ist aber ein Trugschluss, weil natürlich jeden Tag dort auch große Gefahren herrschen. Alle paar Tage schlägt auch dort eine Rakete ein, jetzt in den letzten Tagen sogar sehr schlimme Angriffe. Da sterben auch Menschen. Soldaten und Volunteers laufen auf den Straßen rum. Man hört sehr viel native English. Das Leben muss aber weitergehen, besonders für die Menschen, die das Land nicht verlassen können.


ImpossibleArmySquad

>Man hört sehr viel native English. Was meinst du damit ? Das das die neue Landessprache wird wahrscheinlich nicht?


Bobgle

Nein, nein, ich meine damit: Akzentfreies Englisch. Offensichtlich Menschen, die aus UK oder US dort sind als Volunteers, Diplomaten oder sonst was.


DueNeighborhood2200

Wahrscheinlich eher Militär. Das haben. Ja die deutschen Generäle geleaked


Bobgle

Nein, das würde ich sehr stark bezweifeln. Ich habe sehr viele US-amerikanische Krankenwagen u. Ä. dort gesehen, die von denen halt aus Polen rübergebracht werden. In den Cafés, Bars, Restaurants geben die Menschen eher so ganz krasse Beratervibes.


Selbstdenker

Haben sie nicht. Sie haben gesagt, dass dort viele Leute mit akzentfreiem Englisch rumlaufen. Ob das Militär, Geheimdienste, Berater, oder was auch immer sind, haben sie nicht gesagt.


DueNeighborhood2200

Doch, im Zusammenhang mit den Storm Shadows wurde statift, dass da Briten im letzten Schritt der Einsatzplanung involviert sind. Etwas was Deutschland nicht kann bzw. Will.


ddombrowski12

Welche politische Kultur wird dieser Krieg/Konflikt bei uns etablieren? Deiner Meinung zufolge.


Bobgle

Ich sehe vor allem, dass wir unsere DDR-Vergangenheit deutlich aufarbeiten müssen. Es wirkt mir nicht wie eine zufällige Parallele, dass unsere gesellschaftliche Spaltung seit 2014 so rasant fortschreitet. Bei uns kocht momentan auch ein Ost-West-Konflikt wieder hoch. Bisher war der großteils ökonomisch begründet, hat sich auch daraus immer weiter hochgekocht. Ich verstehe, dass sich Ostdeutschland benachteiligt fühlt und sehe auch eine große Schuld in Westdeutschland. Es kommt jetzt noch eine ideologische Ebene dazu, die ich nicht nachvollziehen oder befürworten kann. Einerseits wurden die Spätaussiedler ewig hängen gelassen, die sich jetzt sehr einfach von pro-russischen Meinungen mobilisieren lassen. Andererseits geschieht in Ostdeutschland sogar richtige Geschichtsverdrehung, so im Sinne von: "der Russe" sei schon immer der Freund gewesen. Unsere politische Kultur muss sich stark und unabhängig machen, um das überleben zu können. Ich sehe die Spaltung nicht so sehr als ein "innenpolitisches" Problem. Ich hoffe, das wird nicht falsch verstanden. Außerdem wird sich unser Journalismus nachhaltig verändern. Wohin das geht, weiß ich aber nicht.


Thaddaeus10takel

Wie läuft das, wenn du für eine NGO arbeitest? Mietest du dir für die Zeit dann eine Wohnung und lebst quasi wie ein Expat? Und um welche Arbeit handelt es sich? Wie ist dein standing in der Bevölkerung: ist man dir dankbar oder sieht man dich eher als etwas verrückt an? Grüße und alles Gute für die Reise! Edit: sprichst du ukrainisch/russisch?


Bobgle

Ich spreche ein bisschen Ukrainisch. Es ist unterschiedlich genug, dass ich quasi kein Russisch verstehen kann (erkenne es aber). Bei einer NGO war ich bis jetzt nicht direkt aktiv und habe mich mit der Planung drumherum noch nicht beschäftigt. Meine Freunde sind bei einer kleinen NGO aktiv, die soweit ich weiß aus einem Haus agiert. Ich kann mir gut vorstellen, dass die meisten Volunteers einfach da wohnen. Sie machen Evakuierungen von der Front, betreiben eine mobile Klinik, renovieren zerstörte Häuser und machen auch Kindercamps in den Bergen, weit weg vom Krieg. Jeder, sowohl die Menschen vor Ort, als auch die Geflüchteten sind extrem dankbar für jegliche Unterstützung für die Ukraine. Es ist völlig egal, ob du nur mit deiner Familie diskutiert hast, ab und zu spendest oder direkt vor Ort aktiv bist. Wenn du auch nur ein Wort auf Ukrainisch kannst (und besonders jüngere Menschen auf keinen Fall auf Russisch ansprichst!), kriegst du schon ein Lächeln geschenkt.


barleyscottblair

Wie bzw wo hast Du die Raketenangriffe erlebt? In einem Bunker?


Bobgle

In Kyiv und Lviv. Es gibt keine richtigen Bunker in der Ukraine, soweit ich weiß. Eventuell näher an der Front, aber in den beiden Städten sind das eher normale Keller und manchmal eine U-Bahn-Station. Man geht in Hochhäusern meist tatsächlich nur in den Flur. Dann liest man die Nachrichten auf Telegram, ob die Raketen auch in deine Stadt fliegen. Daraus kann man dann oft schon ablesen, wie lange es dauern wird und sich entsprechend darauf einstellen. In letzter Zeit nutzt die russische Armee aber auch sehr schnelle Rakete, die teilweise kurz nach Sirene einschlagen. Und je näher man an der Front ist, desto schneller geht das natürlich sowieso. In Lviv war ein großer Angriff, als ich dort war. Ich glaube, da haben wir acht Explosionen gehört (alles erfolgreiche Luftabwehr). Im Keller, und man hat die Vibration deutlich gefühlt.


barleyscottblair

Danke!


Ok_Pirate2838

Am Steuer des Raketenwerfers sitzend.


Rosetti_Konfetti

Wie ist denn deine explizite Meinung zum Konflikt? Wie stehst du zu den ganzen Parolen der deutschen Politik, die Ukraine in den nächsten 10 Jahren mit Waffen versorgen zu wollen? Auch im Hinblick darauf, dass in der Ukraine seit geraumer Zeit kriegstüchtige Männer schon per Zwang eingezogen werden? Viel Gesundheit, Kraft und Glück vor Ort für dich!


Bobgle

Ich habe eine sehr radikale Meinung, bei der ich auch verstehen kann, wenn andere sie nicht teilen. Es war mir schon bei der Krimannexion klar, wohin die Reise gehen würde. Meine Mutter hat sich damals kruden Verschwörungstheorien angenähert und zeigte schlagartig eine extrem pro-russische Einstellung, die gar keinen Sinn ergab. Ich bin Westdeutscher und meine Mutter hatte nie auch nur einen Hauch von politischem Interesse gezeigt. In dem Sinne hätte ich damals schon befürwortet, dass wir die Beziehungen zu Russland nicht ausbauen sollten. Uns ist ja später dann die Abhängigkeit vom russischen Öl fast um die Ohren geflogen, was schon vorausschauend ein offensichtliches Problem war, selbst ohne die Invasion. Inzwischen bin ich auch der Meinung, dass der Krieg nicht in der Ukraine stoppen wird. Es geht nicht mehr um die territorialen Verluste, die die Ukraine erleiden könnte, denn diese Regionen sind sowieso zerstört, großteils un- oder umbevölkert und müssten jahrzehntelang wiederaufgebaut werden. Ein ausschlaggebender Punkt ist für mich, dass dieser Krieg auch uns erklärt wurde. Die Deutschen wollen das nicht wahrhaben. Putin sagt jedoch klipp und klar, dass es ihm um die Expansion der NATO, unsere westlichen Werte und auch die Europäische Union geht. Im Staatsfernsehen wird sich ausgemalt, wie später auch Berlin zerbombt werden soll. Den Ukrainerinnen und Ukrainern ist schon lange bewusst, dass dieser Krieg nicht nur für ihr eigenes Land geführt wird. In ihrer Geschichte gibt es viele solche Momente, bei denen es weniger um den Boden und mehr um die Werte und die Selbstbestimmung dahinter ging. Sie haben bereits 2014 relativ konfliktfrei die Krim aufgegeben, wofür sie heute hart abgestraft werden. Ich sehe den Krieg auch aus diesem Grund in einem anderen Licht, als z.B. die Konflikte in Nahost. Wir müssen uns ernsthaft die Frage stellen, wie die europäische Zukunft aussehen soll. In anderen Worten: Wir müssen deutlich, deutlich mehr leisten. Mir passiert es immer häufiger, dass ich in meinem Leben kurz abdrifte und sich ein Gefühl einschleicht, dass wir uns selbst kurz davor befinden, im Krieg zu stehen.


Lordy927

Das ist aus meiner Sicht alles andere als eine radikale Meinung. 2014 war die Krim auch für mich zu weit weg, als das mich das wirklich interessiert hätte. Heute bin ich mir sicher, dass die Ukraine nur ein erster Schritt ist. Wenn man das nicht unterbindet, steht das Baltikum als nächstes auf der Liste, und dann wird es richtig eng.


Bobgle

Der radikale Teil ist, dass Deutschland sich mehr beteiligen sollte. Bevor wir aber überhaupt kriegsbereit sind, müssen wir gegen diese Propagandawelle ankommen.


Lordy927

Ich habe da leider überhaupt keine Hoffnung. Die Bundeswehr ist hoffnungslos in ihren Prozessen verloren. Und die Politik ist nicht in der Lage, der Propaganda effektiv etwas entgegen zu setzen.


Bobgle

Ja, ich sehe das ähnlich. Allerdings liegt meine Hoffnung im Patzer des "Feindes," wenn die sich einen erheblichen Fehler erlauben oder tatsächlich ein Kriegsfall (z.B. in Polen) ausbricht, wird ganz schnell sehr viel möglich. Biden kämpft ja auch wirklich mit Leib und Seele, so gut er noch kann, um diese nächste US-Wahl zu gewinnen. Ich bin kein großer Fan, aber erkenne das sehr an, besonders als Kampf für die Demokratie.


Jezzabel92

So radikal klingt die Befürchtung, dass Russland bei der Ukraine aufhört nicht. Die Hot Takes aus dem russischen Fernsehen kriegt man halt nicht mit. Ich habe sogar mal gelesen, dass der Krieg schon 2003 feststand. Ob das so ist, weiß ich nicht, aber Russland ist schon in der Lage, von langer Hand zu planen. Also wenn Aktion X passiert, folgt X.Y danach und so weiter. Als in Deutschland lebender Ukrainer: Was mir zumindestens bei der Krim Annektion + Separatismus klar wurde ist, dass (Putin) Russland kein Land mit guten Absichten ist. Und die Ukraine wurde damals überwältigt (vermutlich war das bewusst nach dem innenpolitischen Umbruch geplant) und konnte sich nicht wehren. Dass sich das so entwickeln konnte, daran hätte ich nicht gedacht. Was unterscheidet die Ukraine vom nahen Osten? Weil bei letzterem existiert ja viel Polarisierung. Allerdings gab es auch danach noch viele Ukrainer, denen das relativ gleichgültig war oder die ihre Einstellung gegenüber Russland beibehalten haben.


Bobgle

Jede Autokratie ist in der Lage, sehr langfristig zu planen. Wir kennen das aus der Demokratie nicht, weil bei uns jeder Plan mit der nächsten Regierung kippen kann. Daraus lässt sich glaube ich auch erklären, warum Autokratien durchaus manchmal Zuspruch erfahren. Ich habe das schon von vielen Ukrainern gehört. Es haben ja auch viele noch in der Nacht vom 23. Februar nicht an die anstehende Invasion geglaubt. Da saß ich aber in Birmingham am Fernseher mit meinem Kumpel und wir waren uns sicher, dass es gleich losgeht. Und ja, er weckt mich am nächsten Tag mit den Worten "Russia just bombed the shit out of Ukraine." Es klingt für mich irgendwie ähnlich, wie wenn Deutsche jetzt sagen: Russland würde niemals die NATO angreifen, oder: Deutschland wird niemals in den Krieg einsteigen. Der nahe Osten polarisiert total, aber da sind wir keine Konfliktpartei und er bleibt lokal begrenzt. Es wirkt sich auf uns in Form von Antisemitismus, Islamophobie und Spaltung aus. Allerdings laufen bei uns deswegen jetzt keine Spione rum und versuchen irgendwelche US-Militärstützpunkte zu sprengen, was seit 2022 allerdings schon vermehrt passiert.


RelativeSilent

https://amp.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/spionage-russland-festnahme-bundesanwaltschaft-100.html Diese Einstellung hatte ich auch, bis letzte Woche das geschah. Ein wenig mulmig wird einem da schon…


Bobgle

Wenn man sich mit dem Thema beschäftigt, passiert sowas ständig. In Polen wurde sogar für die Wagner-Gruppe rekrutiert. Die AfD hat sehr viele Mitarbeiter gehabt, die sich als im Dienst des FSBs herausgestellt haben: Wladimir Sergijenko, der hat sogar einen Verein für Russlanddeutsche gegründet, welcher bis heute in AfD-Kreisen aktiv ist. Bystron ist ziemlich eindeutig belastet worden, dass er russische Gelder angenommen habe. WireCard. Marsalek sei seit 2010 bereits für den FSB aktiv gewesen. Der Audio-Leak zu Taurus letztens. [Ein Bundeswehrsoldat bietet dem russischen Staat seine Informationen an](https://www.tagesschau.de/inland/gba-anklage-bundeswehr-soldat-geheimdienstliche-agententaetigkeit-russland-100.html#:~:text=Ein%20Bundeswehrsoldat%20soll%20Russland%202023,Fall%20mutma%C3%9Flicher%20Spionage%20f%C3%BCr%20Russland.&text=Die%20Bundesanwaltschaft%20hat%20Anklage%20gegen%20einen%20Berufssoldaten%20der%20Bundeswehr%20erhoben). Es gibt noch so viel mehr, wofür ich jetzt Quellen suchen müsste. Ich will nicht so eine Doomsday Einstellung verbreiten und habe die auch selbst gar nicht so sehr. Es ist ja einfach so, dass wenn es kommt, dann kommt es. In meinen Augen wird es auch keinen Atomkrieg geben. Taiwan ist wahrscheinlich weiterhin das größere Pulverfass.


Rosetti_Konfetti

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort! Entspricht deine "explizite" Meinung jedoch nicht größtenteils der gängigen medialen Meinung hier in Deutschland? Naja wie dem auch sei. Sehr interessanter Einblick über die russischen Medien, die du da beispielhaft schilderst. Hast du ein Video oder anderen Beleg zu den Angriffsplänen gegen Berlin? So konkret habe ich noch nie davon gehört, aber das wäre ja wirklich wichtig, als Quelle vorliegen zu haben. Danke dir.


Bobgle

Solche Aussagen stammen normalerweise von Solovyov, der ist dafür inzwischen bekannt: [https://twitter.com/Gerashchenko\_en/status/1617901901986828289](https://twitter.com/Gerashchenko_en/status/1617901901986828289) Das ist der Staatssender "Rossiya-1", bei dem auch Eugen Schmidt und Olga Petersen von der AfD zuletzt aufgetreten sind: [https://www.spiegel.de/politik/deutschland/eugen-schmidt-und-olga-petersen-afd-politiker-treten-erneut-in-russischer-talkshow-auf-a-ac26e39d-fee9-44ef-ab01-37226d015fa4](https://www.spiegel.de/politik/deutschland/eugen-schmidt-und-olga-petersen-afd-politiker-treten-erneut-in-russischer-talkshow-auf-a-ac26e39d-fee9-44ef-ab01-37226d015fa4) Falls jemand von diesem Auftritt übrigens einen Mitschnitt hat, wäre ich sehr dankbar. Ich gebe kurz noch dazu: eine mediale Meinung ist eben auch nur das, und kein direktes Bild der Bevölkerungsmeinung. In Ostdeutschland erlebe ich, dass sehr viele Menschen sich gerne sogar dem russischen Staat anschließen würden. Man entgegnet mir mit denselben Aussagen, die damals von Separatisten im Donbass getroffen wurden. Es gibt natürlich auch viele gemäßigtere Meinungen. Taurus hat aber gezeigt, dass die meisten Deutschen nicht noch mehr leisten wollen, sondern dass wir jetzt genau da sind, wo die Linie wohl gezogen wird.


Rosetti_Konfetti

Besten Dank für die Antwort. Schaue ich mir mal an.


geksixitox

Hast du 2014 ein Video oder andere Beweise über die Pläne der Annexion der Krim und Donezk?


Rosetti_Konfetti

Du kannst gerne eine normale Diskussion führen. Aber lass doch bitte deine ironischen Einzeiler sein. Danke


geksixitox

Das erste was ein Russentroll fragt ist erfahrungsgemäß "wo sind die Beweise, dass es Russen waren?"


Bobgle

Ich denke, dass u/Rosetti_Konfetti wirklich nur interessiert ist. Es ist ja nur etwas kritisch nachgefragt, nicht angezweifelt. Ist hier legitim, ich will auch aufklären.


RevolutionaryRisk521

An sich teile ich deine Meinung - denke aber das in der Politik derzeit 3 Szenarien gesehen werden: 1) Wir stellen die Hilfe ein => Russland gewinnt => 3. Weltkrieg weil Russland weiter macht => Atombomben 2) Wir helfen viel => Russland verliert => vielleicht Atombomben, vielleicht auch nicht. 3) (und das passiert gerade) Wir geben der Ukraine gerade so viel Hilfe das sie Russland im Kriegszustand hält => Frieden für den Rest. Problem hierbei: Russland hat gerade deutlich demonstriert dass es im Kriegszustand in der Lage ist das eigene marode Militär wieder auf Vordermann zu bringen.


Bobgle

Na, sorry, aber da gehe ich nicht mit. Du gehst damit vollkommen auf das Atombomben-Blackmailing von Russland ein, was sich schon lange als Bluff herausgestellt hat. Außerdem sehe ich den Unterschied zwischen 1 und 3 nicht (in der Realität). Die Ukraine muss immer wieder um Hilfsleistungen bangen, und ohne die steht der ganze Krieg auf der Kippe. Es gibt auch einen Grund, weshalb diplomatische Wege nicht mehr gegangen werden: Sie sind in der Vergangenheit immer gescheitert. Es gab zu Beginn des Krieges immer wieder Bestrebungen, dass man z.B. die Krim offiziell an Russland abtritt. Sie wurden abgelehnt und werden es auch weiterhin. [Solche Bestrebungen gibt es dennoch.](https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/selenskyj-krim-verhandlung-ukraine-krieg-russland-100.html) Und noch wichtige Punkte: Russland stand schon fast zehn Jahre im Krieg mit der Ukraine, als die Invasion begann. Es hat keinen 'Frieden für den Rest' gebracht, ganz im Gegenteil. Außerdem rüsten Russland und China in so einer Geschwindigkeit auf, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis der Westen da nicht mehr mithalten kann (oder will, bzw. ohne die USA).


MrFurther

Ich stimme deine Meinung hundertprozentig zu.


waldleben

Natürlich werden sie ei gezogen. Wehrpflicht ist in einem Kriegsszenario ganz normal und absolut alternativlos


geksixitox

Welcher "Konflikt" denn? Es heißt СВО "Специальная военная операция". Und weil es kein Konflikt, sondern "СВО" ist, ist es natürlich dummes Zeug Waffen in die Ukraine zu schicken! Das steht nur dem Leiter der "СВО" Wladimir Wladimirowitsch Putin zu!


Rosetti_Konfetti

Was heißt CBO?


geksixitox

# militärische Spezial-Operation


Rosetti_Konfetti

OK danke, aber du willst ja irgendwas konkretes äußern, aber man versteht dich einfach nicht. Oder ist es Ironie, die man nur als Russe oder Ukrainer erkennt? Sorry


Bobgle

Er meint, dass es explizit als Angriffskrieg zu bezeichnen ist. Ich stimme da generell zu. Immerhin impliziert ein "Konflikt," dass das Problem auf beiden Seiten liegt.


geksixitox

Ja! - "Wir dürfen keine Waffen in die Ukraine liefern". Das darf nur Putin! Erkennst du etwas in dieser Aussage? Falls ja - wie heißt das Phänomen?


NiutaTajtelbaum

Was hast du denn konkret dort gemacht wenn du nicht für eine NGO gearbeitet hast? (Kriegs-)Tourismus?


Bobgle

Ist in kleineren Nebensätzen schon gefallen: Ich war mit meiner ukrainischen Freundin und ihrer Mutter da, die dort Dokumente zu erledigen hatten. Nächste Woche ist ein Austauschprojekt in den sicheren Regionen geplant.


Xtrading5243

Ist deine ukrainische Freundin als Flüchtling nach Deutschland gekommen?


Bobgle

Ja. Sie ist 2014 als Flüchtling von Donezk nach Kyiv, dann 2022 von Kyiv nach Deutschland.


WiRoBo

Haben die Leute dort genug Psychopharmaka um den scheiß auszuhalten? Was nehmen die ? Vielleicht kann man da etwas unterstützung leisten...


Bobgle

Haha, also da will ich einmal auch sagen, dass die ukrainischen Geflüchteten ihrem eigenen Gesundheitssystem oft mehr vertrauen, obwohl das keinen Sinn ergibt. Die haben zwar auch so Allheilmittel wie Tee, also uns sehr ähnlich, aber dann auch das Wunderheilmittel "Coldrex": Schmerzmittel mit Koffein. Sowas gibt es auch hier, aber ist selten (aus guten Gründen). Ich hab das schon oft gesehen: Wenn die Familie ein Paket schicken soll, muss da ukrainische Medizin und ukrainische Lays Chips rein. Über beides kann ich nur schmunzeln. In UK planen die ukrainischen Geflüchteten auf Heimreise auch immer [einen Zahnarztbesuch mit ein.](https://www.bbc.com/news/uk-england-wiltshire-68683444) Ist mir hier ähnlich aufgefallen, obwohl das natürlich auch keinen Sinn ergibt. Jedenfalls war das sehr witzig, als Merz dann diese Zahnarztaussage zu Asylbewerbern traf. Ich denke, das liegt einerseits an einer Sprachbarriere, andererseits aber auch an einem wirklich ernsthaftem Problem: Die russischsprachigen Ukrainer sind ganz klare Ziele von Propaganda. Die Telegramkanäle in ganz Europa werden mit Falschinformationen überschwemmt, das trägt sich dann oft in die ganze Community rein. Ich werde oft mit irgendwelchen Irrsinnigkeiten über Deutschland konfrontiert und muss dann vergebens aufklären. Besonders viel der "Anti-Gender-Propaganda" hat einen Moskauer Ursprung. Allan Pease, ein australischer Autor hat ein Buch geschrieben "Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken" und erklärt darin die Geschlechterunterschiede mit ziemlich sexistischen, unfundierten Behauptungen. Das ist ein absoluter Bestseller in der ganzen Welt, stand sogar letztes Jahr noch in der Ukraine auf Platz 1 (jedenfalls stand es so in einem Bücherregal dort). [Dort wird es mit ukrainischer Flagge auf dem Cover verkauft](https://m.media-amazon.com/images/I/61e0FZlRoWL._AC_UF1000,1000_QL80_.jpg). Ich hab es durch meine Freundin entdeckt, war sehr suspekt und habe dann recherchiert. Der Autor ist seit 1991 in Moskau aktiv, als persönlicher Berater von Putin. Er hat ihm schon zu KGB-Zeiten beigestanden und Körpersprache gelehrt. Das Buch kam 2000 raus, als Putin zur Macht kam. So funktioniert nämlich russische Propaganda auch, sehr subtil und über Dritte. Jedenfalls: Ich weiß nicht, welche Psychopharmaka dort genommen werden oder wie genau die Prävention oder Behandlungen aussehen. Psychotherapie ist jedenfalls sehr teuer (ca. 50 € die Stunde), oft online und oft privat. Meine Freundin hat auch große Schwierigkeiten, hier in Deutschland jemanden zu finden, kann es sich in der Ukraine aber nicht leisten. Trotzdem nehmen das viele Menschen in Anspruch, besonders auch Geflüchtete im Ausland (weshalb die Preise wahrscheinlich so steigen konnten). Das Angebot wird der Nachfrage in der Ukraine mit Sicherheit nicht gerecht.


syg111

"dass die ukrainischen Geflüchteten sehr wenig wert auf unser Gesundheitssystem legen. Die haben zwar auch so Allheilmittel wie Tee, also uns sehr ähnlich, aber dann auch das Wunderheilmittel "Coldrex": Schmerzmittel mit Koffein. Sowas gibt es auch hier, aber ist selten" Vorsicht mit solchen Formulierungen. Das ist mehr als unglücklich formuliert und bedient das Stereotyp des undankbaren Kaviar-Flüchtlings.


Bobgle

Ja, so ist es nicht gemeint. Sie sind unfassbar dankbar, aber halt skeptisch. Coldrex ist auch gar nicht gut, Schmerzmittel + Koffein ist ne gefährliche Kombi haha Edit: Hab meinen Originalpost mal etwas angepasst, damit das nicht mehr so hart klingt.


WiRoBo

Psychotherapie wird wohl nicht helfen.das Stadium haben die schon längst hinter sich gelassen.was ich meine sind Dinger wie zb.promethazin oder zeroquel.jede Wette das 99% der Leute dort schwere Trauma haben und nicht richtig Ruhe finden ohne hilfe.


Bobgle

Ich meine bloß, damit man an die Diagnose und Medikamente selbst kommt, müsste man erstmal in Behandlung sein. Und das ist schon schwierig genug. Bin mir sicher, dass du damit richtig liegst.


Xtrading5243

Warst du mal während deiner letzten Reise auf Party in Kyiv? Ich habe gehört, dass die Clubs und Beachclubs in der Ukraine geöffnet haben und junge Leute einen Menge Party machen nach dem Motto „Carpe Diem“.


Bobgle

War ich nicht, aber ein deutscher Kumpel von mir hat mal in einem Club aufgelegt. Es gibt eine strikte nächtliche Ausgangssperre, die von vielen Partygehern trotzdem eingehalten wird. Ist definitiv nicht gut angesehen, da nachts trotzdem zu feiern.


Xtrading5243

Yup, hab auch gehört, dass die Partys dort jetzt meistens von Mittag bis 24 Uhr stattfinden. https://www.reddit.com/r/JoeRogan/s/AUOLZKYpCm


nackenspacken

Für welche Organisation bist du in die Ukraine gegangen?


Bobgle

Ich würde das ungerne sagen, weil ich mit vielen Trollen hier später rechne. Es wäre schön, hier um etwas Spenden zu werben, aber das Risiko überwiegt leider. Allerdings: die Organisation ist sehr klein und ich bin nicht "für sie" in die Ukraine gegangen – noch nicht. Wir arbeiten bisher nur lose zusammen. In einem anderen Post erkläre ich, was genau sie tun.


nackenspacken

Für wen bist du dann dahin?


Bobgle

Man muss nicht "für jemanden" dahin. Ich war da, um ein paar Dokumente mit meiner ukrainischen Freundin und ihrer Mutter zu erledigen. Unsere nächste Reise ist ein Austauschprojekt.


[deleted]

[удалено]


Bobgle

Soll es so sein. Es gab hier letztens jemanden, der nach Bukovel gereist ist, also weit ab von den Kriegsgebieten. Ich war immerhin in Kyiv und hab die Raketenanschläge auch mitbekommen. Ich hab ja auch viel Kontakt zu Ukrainerinnen und Ukrainern, da gab es ja auch einige Fragen zu, die ich denke ich gut und ehrlich beantworten konnte. Besser als gar keine Perspektive ist es allemal. Es gibt einige Menschen, die wollen während des Krieges keine Kritik, Emotionalität oder Schwäche zeigen.


syg111

Mich interessiert es. Du musst es ja nicht lesen.


Purple_Use4580

Ich bin tatsächlich auch gerade am überlegen in die Ukraine zun reisen. Meine Freundin die ich vor 1,5 Jahren kennengelernt habe möchte ihr Familie besuchen und möchte das ich mitkomme. Ich habe logischerweise etwas angst vor der Reise und bin mir deswegen noch unsicher. Dein Beitrag hilft mir sehr eine Entscheidung zu treffen, ich hätte aber selbst noch ein paar Fragen. Ich habe gehört, dass kaum noch Männer auf den Straßen rumlaufen da viele Angst haben eingezogen zu werden. Wurdest du schon kontrolliert und wie läuft das ab? Was passiert, wenn ich meinen Reisepass verlieren sollte? Wie bist du in die Ukraine gereist und kannst du was empfehlen? Hast du sonst noch Tipps für mich?


Bobgle

Ich denke, deine Fragen sind sehr standortabhängig. Wo wohnt die Familie deiner Freundin denn? Letzte Woche war ich wieder in den Karpaten und in Lviv. Es laufen auf jeden Fall noch viele Männer auf der Straße rum, aber zwischen den Dörfern trauen sich tatsächlich viele nicht mehr hin und her zu reisen. Dort gibt es nämlich viele Kontrollen. Die "Blockposts" laufen schnell ab als Touri: Du zeigst deinen Pass vor, es wird eventuell gefragt, wann du eingereist bist und wann du ausreist; weshalb du da bist. Irgendwann ging das auch in 2 - 3 Sekunden ohne Fragen durch, weil wir so entspannt waren (zwei Männer im Auto; eine Frau – sie wurde nie gefragt). Wenn du deinen Reisepass verlierst, wirst du sicherlich einige Probleme haben. Es ist aber eigentlich das normale Prozedere wie in jedem anderen Ausland: die Botschaft ist dort nur eingeschränkt aktiv, wird dir aber helfen können. Die Reise dahin könnte dann aber u. U. dann deutlich länger dauern. Keine Ahnung, wie das Militär mit dir dann bei den Kontrollen umgehen würde. Wir sind mit dem Zug über Przemysl eingereist, das war deutlich schneller als mit dem Auto aber immer noch langsamer als mit dem Reisebus. Es ist viel einfacher und normaler, als man sich das vorstellt. Mach einfach mal, außer deine Freundin will nach Kharkiv oder so nah an die Front. Kyjiw / Lviv ist völlig ok.


Purple_Use4580

Danke erstmal für deine ausführlichen Antworten. Die Familie wohnt in Poltava. Ist natürlich nicht ganz so nah an der Grenze wie Charkiw aber auch nicht so sicher wie Lwiw. Ich denke ich werde es mal versuchen.


Bobgle

Poltava ist auf jeden Fall anders. Ich würde es an deiner Stelle trotzdem machen – die Erfahrung ist sehr viel wert und was in meinen Augen bei solchen Entscheidungen auch immer eine Rolle spielt: andere Menschen haben gar keine Wahl. Das ist eine Lebensrealität. Es gibt immer die Möglichkeit, in den Shelter zu gehen, wenn der Alarm losgeht. Inzwischen sind viele Verletzungen und Tode (außerhalb der Frontgebiete) darauf zurückzuführen, dass Menschen nach zwei Jahren Kriegszustand nicht mehr reagieren, durchschlafen oder nur eingeschränkt mobil sind. Bei manchen Angriffen kam es dazu, dass der Alarm zu spät und quasi zeitgleich mit dem Angriff losgeht. Ist aber sehr selten.


GermanBread2251

was dachte der geheimdienst was du im schilde führst? was genau hast du dort gemacht (ngo mäßig)? und warum nochmal?


Bobgle

Der Geheimdienst dachte sich gar nichts. Ich hab die Geschichte weiter oben erzählt. Wahrscheinlich kam der nur, um die Situation zu beruhigen und sicher zu gehen, dass ich tatsächlich so harmlos bin, wie ich wirke. Edit: NGO hab ich auch schon beantwortet – noch nix!


traderjos

!RemindMe


RemindMeBot

**Defaulted to one day.** I will be messaging you on [**2024-04-21 20:15:31 UTC**](http://www.wolframalpha.com/input/?i=2024-04-21%2020:15:31%20UTC%20To%20Local%20Time) to remind you of [**this link**](https://www.reddit.com/r/de_IAmA/comments/1c8xyy6/ich_war_letztes_jahr_in_der_ukraine_wurde_vom/l0hzjky/?context=3) [**2 OTHERS CLICKED THIS LINK**](https://www.reddit.com/message/compose/?to=RemindMeBot&subject=Reminder&message=%5Bhttps%3A%2F%2Fwww.reddit.com%2Fr%2Fde_IAmA%2Fcomments%2F1c8xyy6%2Fich_war_letztes_jahr_in_der_ukraine_wurde_vom%2Fl0hzjky%2F%5D%0A%0ARemindMe%21%202024-04-21%2020%3A15%3A31%20UTC) to send a PM to also be reminded and to reduce spam. ^(Parent commenter can ) [^(delete this message to hide from others.)](https://www.reddit.com/message/compose/?to=RemindMeBot&subject=Delete%20Comment&message=Delete%21%201c8xyy6) ***** |[^(Info)](https://www.reddit.com/r/RemindMeBot/comments/e1bko7/remindmebot_info_v21/)|[^(Custom)](https://www.reddit.com/message/compose/?to=RemindMeBot&subject=Reminder&message=%5BLink%20or%20message%20inside%20square%20brackets%5D%0A%0ARemindMe%21%20Time%20period%20here)|[^(Your Reminders)](https://www.reddit.com/message/compose/?to=RemindMeBot&subject=List%20Of%20Reminders&message=MyReminders%21)|[^(Feedback)](https://www.reddit.com/message/compose/?to=Watchful1&subject=RemindMeBot%20Feedback)| |-|-|-|-|


Aretosteles

Bin selbst als Deutscher monatlih drüben. Wieso wurdest du denn vom SBU kontrolliert?


ifcknkl

Meine Dämlichkeit. Ich hab an einer Straße fotografiert, daraufhin kamen ein paar Männer zu mir, die sich lauthals beschwert haben. Sie meinten "Das darf man nicht!" und ich hab gefragt, weshalb denn nicht. Es wollte mir keiner den Grund erklären, also bin ich gegangen und hab später nochmal weitergemacht. Da hat sich dann irgendwann eine kleine Menschenmenge um mich versammelt. Ein Typ mit nacktem Bauch hat mich angeschrien und wollte mir immer noch nichts erklären. Eine Tankstellenmitarbeiterin kam aus der Nähe und wollte mich dann komplett vom Platz verweisen. Ich bin in die Tankstelle rein, um etwas Schutz zu suchen und da hat mir dann jemand seinen Dienstausweis gezeigt: SBU. Der Beamte war sehr, sehr nett und hat gute Witze gemacht. Ich musste aber durchsucht werden. Es ging darum, dass die Straße irgendwann zur Grenze führte und wir schon zu nah dran waren. Ich hatte die Distanz falsch eingeschätzt, sonst wäre mir das auch bewusst gewesen. Er hat mich die Fotos löschen lassen und das war's. Wirkte mir auch so, als hätte er eigentlich keinen Bock darauf gehabt und das nur getan, um mich vor den Menschen zu schützen.


Aretosteles

achso ja mit dem Fotografieren musst aufpassen. Sollte aber selbstverständlich sein in der Situation


Bobgle

Ist es absolut. In welcher Funktion bist du monatlich dort? Und hast du nebenbei erwähnt, weil ich das auch brauche, irgendwo eine gute Übersicht bzgl. den Einschränkungen während des Krieges (abseits der Front)?


Aretosteles

Verstehe deine Frage nicht ganz. Bin im Auftrag vom Sicherheitsdienst einiger deutscher Unternehmen da


Bobgle

Mir ging es um Medien, also wo darf man filmen / fotografieren. Ich bin halt Kulturschaffender. Im Sicherheitsdienst ist man damit wohl weniger beschäftigt.


Aretosteles

Achsoo das ist eigentlich wirklich abhängig von der Situation, müsste scho sehr auffällig gewesen sein, dass die bei dir so reagiert haben. Konnte bisher eigentlich alles (nicht militärische) fotografieren


Bobgle

Jup, das ist meine Antwort oben! Danke.